CV - Komponist Weniamin Khaèt - Beschreibung des Lebens
Benjamin (Weniamin) Arnòldovitch
Khaèt (25. Februar 1896 – 5. Februar 1975) war ein Mitglied der Komponistenunion der UdSSR. Als Weniamin fünf Jahre alt ist verlässt seine Familie Weissrussland und zieht nach Odessa. In seiner Kindheit beschäftigt Weniamin sich viel mit Zeichnen wie auch mit Musik, welcher er dann sein Leben widmet. Von 1913 bis 1918 studiert er im Konservatorium in Odessa Klavier und Regie. Nach der Revolution gerät Weniamin in Gefangenschaft des Anarchisten Nestor Machno, wird aber von Musikern und Schauspielern gerettet, die für ihn Gnade erflehen. In den XXer-Jahren organisiert er verschiedenste Jazz-Bands, welche mit ihm zusammen seine Musik spielen, und tourt mit ihnen fast durch das ganze Westrussland. In dieser Zeit schliesst er Bekanntschaft mit dem jungen Utjossow und Katajew. Dann schreibt er speziell für das Kazan-Theater Operetten, unter ihnen sein erster grosses Werk «Liebe und Dollars», welches leider nicht erhalten geblieben ist. Es wird nach Moskau gerufen, merkt aber nach zwei Jahren, was der Stalinistische Sozialismus verkörpert und beeilt sich, zusammen mit seiner Frau Galìna Eremèewna Khaèt-Zwetkòwa, aus der Hauptstadt zu verschwinden. In keiner der folgenden Städte hält er sich mehr als zwei Jahre auf, und doch werden fast auf jeder Bühne dieser Städte seine Stücke aufgeführt. «Unvermeidlichkeit» (nach der «American Tragedy» von Theodore Dreiser), «Alarm», seine Oper «Wassilissa die Schöne », seine operette «Das Haus der Katze», seine Symphonien «Märchen», «Die unsichtbare Dame» und andere. In diesen Jahren zieht sein Neffe Rudòlf Òsipowitsch Khaèt, der zukünftige erste Flötenspieler des Moskauer Ensembles Òsipow, bei ihm ein. Im Jahre 1937 kommt in Perm seine Tochter Nìna Weniamìnowna Khaèt zur Welt. Da es, einige Monate vor dem Krieg, völlig unmöglich ist mit einem kleinen Kind das Land zu bereisen, zieht die Familie nach Taschkent. Eine ruhige und von der Hauptstadt weit entfernte Stadt, wo Weniamin hofft, der Verhaftung entkommen zu können. Auf der Bühne der russischen (damals Musik) Drama Theaters in Taschkent, das zu Ehren Gorkis errichtet getauft wurde, erklingt seine Musik zu den Werken: «Das Leben in der Blüte» von Dovzhenko, «Dombey und Sohn» von Dickens und «Die Widerspenstigen Zähmung» von Shakespeare und «Liebe für Wheats». Entgegen seiner Hoffnungen wird Weniamin im Herbst 1950 doch verurteilt und für 25 Jahre in den GULAG gesteckt, sein kompletter Besitz wird konfisziert. Im Jahre 1954 folgt jedoch bereits seine Entlassung. Von 1957 bis 1997 wird im Akademischen Theater in Taschkent in seinem Ehren seine Oper «Der gestiefelte Kater» aufgeführt. Von 1957 bis 1997 wird im Akademischen Opern - und Balletttheater in Taschkent, benannt nach Alisher Navoi, seine Oper «Der gestiefelte Kate» mit dem Libretto von Dilina und Makariewa (den Übersetzern on Charles Perrault) aufgeführt. Es gibt auch ein Libretto dieser Oper vom Komponisten selbst geschrieben, es wurde 1959 für die Inszenierung der Oper in Vilnius verwendet, dem Geburtsort des Autors. Diese Oper wurde auch in Novosibirsk, Duschanbe und Bischkek aufgeführt. In den späten 1950er Jahren wird sie von der berühmten peruanische Sängerin Yma Sumac gehört, welche sich daraufhin mit Benjamin (Weniamin) Arnòldowitsch treffen will. Im Jahr 1962 schreibt er die Oper «Der seltsame Fall» mit einem eigenen Libretto, welches von Carlo Goldoni inspiriert wurde. Diese Oper wurde bereits in den Theaterplan im Jahr 1975 eingeführt, aber aufgrund des vorzeitigen Todes von Benjamin (Weniamin) Arnòldowitsch Khaèt kam sie nie auf die Bühne des Taschkent Navoi Theater. Der genaue Lebensverlauf des Komponist Khaet findet sich in der Autobiographie seiner Tochter – Nìna Weniamìnowna Khaèt.
Vadim Ryzhkow Komponist, Pianist, Lehrer
und Arrangeur: Ein unterschätzter Meister
Das Schaffen von Benjamin (Weniamin) Arnòldowitsch Khaèt ist vermutlich einem breiten Kreis von Liebhabern und Kennern akademischer Musik unbekannt. Das Schicksal dieses Komponisten verlief so, dass er aus verschiedenen Gründen nicht im Zentrum des musikalischen Lebens seines Landes stehen konnte. Der Höhepunkt seiner kreativen Tätigkeit fiel in eine Zeit, in der der Aufbau eines neuen totalitären Staates zahlreiche Schicksale zerstörte, ohne Rücksicht auf individuelle Eigenschaften, Intellekt oder schöpferisches Talent zu nehmen. Auch die Familie Khaèt wurde in diesen Strudel hineingezogen, was – insbesondere im Hinblick auf die kreative Entfaltung – zu einer Abkopplung von der großen kulturellen Welt führte. Diese Entfernung vom Epizentrum des Musiklebens hinderte den Komponisten nicht nur daran, aktiv daran teilzunehmen, sondern erschwerte auch den Zugang zu einem Publikum, das seine Werke hätte hören können, und verhinderte letztlich die vollständige Entfaltung seines schöpferischen Potenzials. Schließlich führte diese Distanz dazu, dass der Name des Komponisten und seine Musik dem breiten Kreis von Musikliebhabern heute noch fast unbekannt sind.
Es ist kein Zufall, dass ich auf die Details seiner Biografie eingehe. Der Umstand, dass Benjamin (Weniamin) Arnòldowitsch Khaèt von einem aktiven Konzertleben ausgeschlossen war, durch verschiedene Städte der Sowjetunion ziehen musste und seinen Lebensunterhalt größtenteils mit dem Komponieren von Bühnenmusik für Provinztheater verdiente, hat das Wesen seines Schaffens entscheidend geprägt. Diese Umstände sollte man berücksichtigen, um die Besonderheiten seines Werkes zu verstehen. Einerseits gibt es viele unvollendete (oder verlorene) Werke, Skizzen und Entwürfe. Andererseits fließen nicht umgesetzte Ideen aus rein instrumentalen akademischen Genres oft in die angewandte Musik ein. Seine zahlreichen Bühnenwerke überschreiten jedoch die Grenzen bloßer Theatermusik – sie zeugen von einem echten symphonischen Denken, selbst wenn der Komponist nur begrenzte Mittel zur Verfügung hatte und sich stilistisch an spezifischen Vorgaben orientieren musste.
Ein weiteres Merkmal von Khaèts Schaffen ist seine stilistische Vielfalt. In diesem Punkt nimmt er eine Sonderstellung ein. Die meisten Komponisten seiner Epoche spezialisierten sich auf einen bestimmten Stil oder ein bestimmtes Genre: Manche widmeten sich der traditionellen akademischen Musik, andere neigten eher zum Modernismus in all seinen Facetten, wieder andere konzentrierten sich auf Jazz und nicht-akademische Genres. «Allesfresser» wie Khaèt waren rar, und nur wenige von ihnen genossen in akademischen Kreisen Anerkennung. In der Regel, wenn ein Komponist – wie etwa Schostakowitsch oder Prokofjew – sich in für ihn untypischen Stilrichtungen oder Genres versucht, dann transformiert er diese tiefgreifend und unterwirft sie seiner eigenen Individualität und seinem persönlichen Stil.
Ein anderes Bild, das eher dem kreativen Denken der Komponisten des späten XX und frühen XXI. Jahrhunderts entspricht, zeigt sich allerdings im Schaffen Benjamin Khaèts. Hier finden wir eine beeindruckende Vielfalt an Stilrichtungen und Genres – von traditionellem Romantizismus über Kinderlieder und Stücke für Jazzensembles bis hin zu anspruchsvollen akademischen Kompositionen, die stilistisch und ästhetisch mit den Werken seiner Zeitgenossen wie Prokofjew, Hindemith, Bartók und Strawinsky in keiner Weise nachstehen. Nur radikale Vertreter des musikalischen Modernismus sucht man in seinem Œuvre vergeblich. Das Interessante daran ist, dass in jedem Stil und jedem Genre sich der Komponist mit einer beeindruckenden Freiheit und Sicherheit bewegt. Er zwingt die Musik nicht in ein starres Korsett seines eigenen Stils, sondern nimmt die jeweiligen Bedingungen vollkommen an und verwirklicht seine kreative Individualität innerhalb der spezifisch auferlegten Aufgabe.
Diese Vielseitigkeit mag aus seiner Arbeit im Theater herrühren, die ein breites stilistisches Spektrum erfordert. Doch es liegt wohl noch eine tiefere Ursache zugrunde: ein Verantwortungsgefühl gegenüber seinem Talent und der Wunsch, seine Fähigkeiten in unterschiedlichsten Bereichen zu verfeinern und umzusetzen. Ein wahres Talent muss sich in exzellenter Handwerkskunst manifestieren, und ein Meister sollte in der Lage sein, alles zu beherrschen. Dieses Streben nach Vielseitigkeit machte das Theater für Khaèt zu einer natürlichen Bühne, auf der er seine poly-stilistischen Ideen verwirklichen konnte.
Die Problematik der stilistischen Vielfalt in Khaèts Werk kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Es ist offensichtlich, dass er ein Bedürfnis verspürte, Musik in den unterschiedlichsten Stilen zu komponieren und sich auf vielfachen musikalischen Ausdrucksebenen zu bewegen – von elementarer Sinnlichkeit bis hin zu intellektueller Reflexion. Anders gesagt: In der Kunst sollte nichts Menschliches ausgeschlossen werden. «Niedrige» Genres und «hoher» Akademismus müssen sich nicht ausschließen – sie können harmonisch koexistieren. Khaèts gesamtes Schaffen ist dafür ein musterhaftes Beispiel.
Gerade diese kreative Haltung erklärt sowohl sein Interesse am Jazz (was allerdings auch als generelles Interesse an neuen Strömungen in der Musikkunst betrachtet werden kann) als auch sein umfangreiches Schaffen im Liedgenre. Zudem sollte man nicht seine Tätigkeit als Dirigent außer Acht lassen, die ihn zwangsläufig zu einer professionellen Auseinandersetzung mit Musik unterschiedlichster Stilrichtungen verpflichtete.
Wenn ich von «Meisterschaft» als fundamentaler Kategorie der schöpferischen Begabung spreche, beziehe ich mich damit auch auf das technische Können eines Komponisten – auf seinen Professionalismus, auf die Fähigkeit, mit minimalen Mitteln maximale Wirkung zu erzielen. Die erhaltenen Partituren Khaèts belegen sein exzellentes kompositorisches Handwerk, insbesondere im Kontext eines peripheren Theaterorchesters, das in der Regel aus einer sehr begrenzten Besetzung bestand und oft sogar aus Amateurmusikern zusammengesetzt war. Gleichzeitig ist erkennbar, dass viele Passagen unter extremem Zeitdruck entstanden sind. Um unter solchen Bedingungen das Beste aus allen klanglichen Facetten eines Orchesters hervorzubringen, bedarf es in der Tat eines außergewöhnlichen kompositorischen (und dirigentischen) Handwerks. Die orchestrale Struktur, Phrasierung, Stimmführung und Harmonik seiner rein akademischen Werke stehen in einer Reihe mit den großen Komponisten seiner Zeit wie Prokofjew oder Mjaskowski. Natürlich wäre ein direkter Vergleich mit diesen Meistern unangemessen, doch zur Veranschaulichung sind solche Parallelen durchaus legitim.
In den angewandten und leichteren Genres orientierte sich Khaèt eher an westlichen Stilen, blieb allerdings innerhalb dieser Rahmenbedingungen seiner eigenen Handschrift treu. Die stilistische Ausprägung seiner akademischen – insbesondere instrumentalen – Werke verdient jedoch eine gesonderte Betrachtung. Gerade hier zeigen sich die bedeutendsten Entwicklungen; eine schöpferische Individualität in ihrer reinsten Form, integriert in die Semantik der modernen Musiksprache.
Bereits zuvor wurde der Kreis von Komponisten erwähnt, zu denen stilistische Verbindungen in der Musik Khaèts zu finden sind. Es ist jedoch nicht nur wichtig, diese Verbindungen zu konkretisieren, sondern auch jene Merkmale herauszuarbeiten, die seine individuelle und unverwechselbare Handschrift ausmachen und ihn von den genannten Komponisten unterscheiden. Dies werden wir im Rahmen der Analyse einzelner Werke näher betrachten. An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass die deutlichsten stilistischen Berührungspunkte mit dem Schaffen von I. Strawinsky und insbesondere S. Prokofjew bestehen. Die stilistischen Parallelen zu anderen Komponisten des frühen XX. Jahrhunderts – G. Popow, W. Schebalin, P. Hindemith, C. Debussy und B. Bartók – lassen sich weitgehend durch den direkten Einfluss von Strawinsky und Prokofjew erklären. Anders ausgedrückt: Die Musik von Benjamin A. Khaèt weist stilistische Assoziationen mit diesen Komponisten nur insofern auf, als deren eigene Musik wiederum stilistisch mit dem Schaffen von Prokofjew und Strawinsky in Verbindung steht.
Auffällig ist, dass sich seine stilistische Nähe zu Strawinsky nicht auf eine bestimmte Phase von dessen Schaffen beschränkt, sondern eine interessante Fusion aus Strawinskys russischer und neoklassizistischer Phase darstellt. Der Einfluss von Prokofjew konzentriert sich hingegen stärker auf dessen mittlere (ausländische) Schaffensperiode, auch wenn Spuren des frühen Prokofjew spürbar sind. Es ist wichtig zu betonen, dass eine solche stilistische Zuordnung nur bedingt zutrifft – die Musik von Khaèt lässt sich nicht eindeutig in den Stil eines der genannten Komponisten einordnen. Mehr noch, in seiner künstlerischen Haltung ist eine bewusste Auseinandersetzung mit nahezu allen ihm bekannten musikalischen Strömungen zu erkennen – jedoch ohne sich in extreme Modernismen oder konstruktivistische Tendenzen zu verlieren.
Dennoch lässt sich auch hier eine gewisse Selektivität erkennen – eine bewusste Filterung dessen, was dem Komponisten nicht nahestand. So ist es beispielsweise schwierig, klare Parallelen zu bedeutenden Persönlichkeiten der russischen Musik wie Skrjabin und Schostakowitsch zu ziehen. Zwar lässt sich eine gewisse symbolistische oder impressionistische Färbung in Werken wie «Beunruhigende Schatten» erahnen, und die jüdischen Intonationen im Streichquartett könnten auf eine mögliche Aufnahme der ästhetischen Prinzipien Schostakowitschs hindeuten. Andererseits sind Parallelen zu symbolistischen und impressionistischen Elementen in den Kompositionen Khaèts deutlich erkennbar – ein Bezug, der sich wiederum auch in den märchenhaften Bildern Prokofjews finden lässt. Ebenso kommt man nicht umhin, an dessen «Quartett» und an dessen Ouvertüre über jüdische Themen zu denken.
So oder so zeigt bereits ein oberflächlicher Vergleich der stilistischen Orientierungspunkte, dass Beniamin Arnòldowitsch Khaèt nicht nach einem in sich geschlossenen Stilraum strebte. Vielmehr versuchte er, in seinem Schaffen all das zu assimilieren, was er in der zeitgenössischen Musik als wahrhaft wertvoll und bedeutsam erachtete. Gleichzeitig zeugt eine gewisse Selektivität von einem zentralen stilistischen Kriterium – einer individuellen stilistischen Haltung, einer kreativen Position des Musikers. Offenbar galt seine Vorliebe allem, was emotional und lebendig war; eine kraftvolle, vorantreibende Energie im Stil einer Toccata und eine klare, transparente Lyrik mit einer leicht kühlen Note, die trotz ihrer impressionistischen Anklänge eine feine, nach innen gerichtete Tiefe entfaltet. Alles Ekstatisch-Symbolistische und Brutal-Urbanistische erscheint ihm als nicht belangreich und taucht höchstens gelegentlich als kontrastierende Schattenfigur auf.
Die Stilistik der akademischen Werke von Beniamin (Weniamin) Khaèt zeigt insgesamt, dass der Komponist, trotz seiner geografischen Entfernung von den Zentren des aktiven Musiklebens, ein leidenschaftliches Interesse an allen musikalischen Entwicklungen hegte. Er war mit den bedeutendsten Strömungen der zeitgenössischen Musik im Allgemeinen sowie mit dem Schaffen herausragender Zeitgenossen im Besonderen vertraut. Zweifellos trug gerade diese Kombination aus physischer Distanz und geistiger Neugier zur Ausprägung seines einzigartigen künstlerischen Profils bei – eines «synthetischen Polystilismus», der auf seine Weise die kreativen Prinzipien der russischen Komponistenschule weiterentwickelt, wie sie durch zwei große Zeitgenossen – Strawinsky und Prokofjew – verkörpert wurden.
Das umfangreiche künstlerische Erbe des Komponisten lässt sich, wie bereits erwähnt, in drei große Bereiche unterteilen: 1) nicht-akademische Werke in leichteren Genres, 2) angewandte Musik (Theatermusik) und 3) akademische Instrumentalkompositionen. Diese Einteilung ist jedoch recht willkürlich, ebenso wie die Definition dieser kreativen Kategorien. In dieser Abhandlung konzentrieren wir uns auf einige Werke akademischer und angewandter Art, insbesondere auf jene, die auf der Website zugänglich sind.
Leider sind viele Kompositionen des Komponisten vollständig verloren gegangen oder ihr Verbleib ist unbekannt. Einige sind in Klavierauszügen erhalten, doch nicht nur einzelne Seiten von Partituren sind verschollen, sondern auch ganze Teile zyklischer Werke. Soweit bekannt, konnte lediglich die «Sinfonietta» für Streichorchester mithilfe eines Amateur-Tonbandgeräts aus einer Rundfunkübertragung aufgenommen werden.
Es bleibt bedauerlich, dass ein vollständiges Bild des Schaffens von Benjamin (Weniamin) Arnòldowitsch Khaèt aus diesem Grund nicht möglich ist. Dennoch zeugen die erhaltenen Partituren eindrucksvoll von der Größe seines kompositorischen Talents.
und Arrangeur: Ein unterschätzter Meister
Das Schaffen von Benjamin (Weniamin) Arnòldowitsch Khaèt ist vermutlich einem breiten Kreis von Liebhabern und Kennern akademischer Musik unbekannt. Das Schicksal dieses Komponisten verlief so, dass er aus verschiedenen Gründen nicht im Zentrum des musikalischen Lebens seines Landes stehen konnte. Der Höhepunkt seiner kreativen Tätigkeit fiel in eine Zeit, in der der Aufbau eines neuen totalitären Staates zahlreiche Schicksale zerstörte, ohne Rücksicht auf individuelle Eigenschaften, Intellekt oder schöpferisches Talent zu nehmen. Auch die Familie Khaèt wurde in diesen Strudel hineingezogen, was – insbesondere im Hinblick auf die kreative Entfaltung – zu einer Abkopplung von der großen kulturellen Welt führte. Diese Entfernung vom Epizentrum des Musiklebens hinderte den Komponisten nicht nur daran, aktiv daran teilzunehmen, sondern erschwerte auch den Zugang zu einem Publikum, das seine Werke hätte hören können, und verhinderte letztlich die vollständige Entfaltung seines schöpferischen Potenzials. Schließlich führte diese Distanz dazu, dass der Name des Komponisten und seine Musik dem breiten Kreis von Musikliebhabern heute noch fast unbekannt sind.
Es ist kein Zufall, dass ich auf die Details seiner Biografie eingehe. Der Umstand, dass Benjamin (Weniamin) Arnòldowitsch Khaèt von einem aktiven Konzertleben ausgeschlossen war, durch verschiedene Städte der Sowjetunion ziehen musste und seinen Lebensunterhalt größtenteils mit dem Komponieren von Bühnenmusik für Provinztheater verdiente, hat das Wesen seines Schaffens entscheidend geprägt. Diese Umstände sollte man berücksichtigen, um die Besonderheiten seines Werkes zu verstehen. Einerseits gibt es viele unvollendete (oder verlorene) Werke, Skizzen und Entwürfe. Andererseits fließen nicht umgesetzte Ideen aus rein instrumentalen akademischen Genres oft in die angewandte Musik ein. Seine zahlreichen Bühnenwerke überschreiten jedoch die Grenzen bloßer Theatermusik – sie zeugen von einem echten symphonischen Denken, selbst wenn der Komponist nur begrenzte Mittel zur Verfügung hatte und sich stilistisch an spezifischen Vorgaben orientieren musste.
Ein weiteres Merkmal von Khaèts Schaffen ist seine stilistische Vielfalt. In diesem Punkt nimmt er eine Sonderstellung ein. Die meisten Komponisten seiner Epoche spezialisierten sich auf einen bestimmten Stil oder ein bestimmtes Genre: Manche widmeten sich der traditionellen akademischen Musik, andere neigten eher zum Modernismus in all seinen Facetten, wieder andere konzentrierten sich auf Jazz und nicht-akademische Genres. «Allesfresser» wie Khaèt waren rar, und nur wenige von ihnen genossen in akademischen Kreisen Anerkennung. In der Regel, wenn ein Komponist – wie etwa Schostakowitsch oder Prokofjew – sich in für ihn untypischen Stilrichtungen oder Genres versucht, dann transformiert er diese tiefgreifend und unterwirft sie seiner eigenen Individualität und seinem persönlichen Stil.
Ein anderes Bild, das eher dem kreativen Denken der Komponisten des späten XX und frühen XXI. Jahrhunderts entspricht, zeigt sich allerdings im Schaffen Benjamin Khaèts. Hier finden wir eine beeindruckende Vielfalt an Stilrichtungen und Genres – von traditionellem Romantizismus über Kinderlieder und Stücke für Jazzensembles bis hin zu anspruchsvollen akademischen Kompositionen, die stilistisch und ästhetisch mit den Werken seiner Zeitgenossen wie Prokofjew, Hindemith, Bartók und Strawinsky in keiner Weise nachstehen. Nur radikale Vertreter des musikalischen Modernismus sucht man in seinem Œuvre vergeblich. Das Interessante daran ist, dass in jedem Stil und jedem Genre sich der Komponist mit einer beeindruckenden Freiheit und Sicherheit bewegt. Er zwingt die Musik nicht in ein starres Korsett seines eigenen Stils, sondern nimmt die jeweiligen Bedingungen vollkommen an und verwirklicht seine kreative Individualität innerhalb der spezifisch auferlegten Aufgabe.
Diese Vielseitigkeit mag aus seiner Arbeit im Theater herrühren, die ein breites stilistisches Spektrum erfordert. Doch es liegt wohl noch eine tiefere Ursache zugrunde: ein Verantwortungsgefühl gegenüber seinem Talent und der Wunsch, seine Fähigkeiten in unterschiedlichsten Bereichen zu verfeinern und umzusetzen. Ein wahres Talent muss sich in exzellenter Handwerkskunst manifestieren, und ein Meister sollte in der Lage sein, alles zu beherrschen. Dieses Streben nach Vielseitigkeit machte das Theater für Khaèt zu einer natürlichen Bühne, auf der er seine poly-stilistischen Ideen verwirklichen konnte.
Die Problematik der stilistischen Vielfalt in Khaèts Werk kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Es ist offensichtlich, dass er ein Bedürfnis verspürte, Musik in den unterschiedlichsten Stilen zu komponieren und sich auf vielfachen musikalischen Ausdrucksebenen zu bewegen – von elementarer Sinnlichkeit bis hin zu intellektueller Reflexion. Anders gesagt: In der Kunst sollte nichts Menschliches ausgeschlossen werden. «Niedrige» Genres und «hoher» Akademismus müssen sich nicht ausschließen – sie können harmonisch koexistieren. Khaèts gesamtes Schaffen ist dafür ein musterhaftes Beispiel.
Gerade diese kreative Haltung erklärt sowohl sein Interesse am Jazz (was allerdings auch als generelles Interesse an neuen Strömungen in der Musikkunst betrachtet werden kann) als auch sein umfangreiches Schaffen im Liedgenre. Zudem sollte man nicht seine Tätigkeit als Dirigent außer Acht lassen, die ihn zwangsläufig zu einer professionellen Auseinandersetzung mit Musik unterschiedlichster Stilrichtungen verpflichtete.
Wenn ich von «Meisterschaft» als fundamentaler Kategorie der schöpferischen Begabung spreche, beziehe ich mich damit auch auf das technische Können eines Komponisten – auf seinen Professionalismus, auf die Fähigkeit, mit minimalen Mitteln maximale Wirkung zu erzielen. Die erhaltenen Partituren Khaèts belegen sein exzellentes kompositorisches Handwerk, insbesondere im Kontext eines peripheren Theaterorchesters, das in der Regel aus einer sehr begrenzten Besetzung bestand und oft sogar aus Amateurmusikern zusammengesetzt war. Gleichzeitig ist erkennbar, dass viele Passagen unter extremem Zeitdruck entstanden sind. Um unter solchen Bedingungen das Beste aus allen klanglichen Facetten eines Orchesters hervorzubringen, bedarf es in der Tat eines außergewöhnlichen kompositorischen (und dirigentischen) Handwerks. Die orchestrale Struktur, Phrasierung, Stimmführung und Harmonik seiner rein akademischen Werke stehen in einer Reihe mit den großen Komponisten seiner Zeit wie Prokofjew oder Mjaskowski. Natürlich wäre ein direkter Vergleich mit diesen Meistern unangemessen, doch zur Veranschaulichung sind solche Parallelen durchaus legitim.
In den angewandten und leichteren Genres orientierte sich Khaèt eher an westlichen Stilen, blieb allerdings innerhalb dieser Rahmenbedingungen seiner eigenen Handschrift treu. Die stilistische Ausprägung seiner akademischen – insbesondere instrumentalen – Werke verdient jedoch eine gesonderte Betrachtung. Gerade hier zeigen sich die bedeutendsten Entwicklungen; eine schöpferische Individualität in ihrer reinsten Form, integriert in die Semantik der modernen Musiksprache.
Bereits zuvor wurde der Kreis von Komponisten erwähnt, zu denen stilistische Verbindungen in der Musik Khaèts zu finden sind. Es ist jedoch nicht nur wichtig, diese Verbindungen zu konkretisieren, sondern auch jene Merkmale herauszuarbeiten, die seine individuelle und unverwechselbare Handschrift ausmachen und ihn von den genannten Komponisten unterscheiden. Dies werden wir im Rahmen der Analyse einzelner Werke näher betrachten. An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass die deutlichsten stilistischen Berührungspunkte mit dem Schaffen von I. Strawinsky und insbesondere S. Prokofjew bestehen. Die stilistischen Parallelen zu anderen Komponisten des frühen XX. Jahrhunderts – G. Popow, W. Schebalin, P. Hindemith, C. Debussy und B. Bartók – lassen sich weitgehend durch den direkten Einfluss von Strawinsky und Prokofjew erklären. Anders ausgedrückt: Die Musik von Benjamin A. Khaèt weist stilistische Assoziationen mit diesen Komponisten nur insofern auf, als deren eigene Musik wiederum stilistisch mit dem Schaffen von Prokofjew und Strawinsky in Verbindung steht.
Auffällig ist, dass sich seine stilistische Nähe zu Strawinsky nicht auf eine bestimmte Phase von dessen Schaffen beschränkt, sondern eine interessante Fusion aus Strawinskys russischer und neoklassizistischer Phase darstellt. Der Einfluss von Prokofjew konzentriert sich hingegen stärker auf dessen mittlere (ausländische) Schaffensperiode, auch wenn Spuren des frühen Prokofjew spürbar sind. Es ist wichtig zu betonen, dass eine solche stilistische Zuordnung nur bedingt zutrifft – die Musik von Khaèt lässt sich nicht eindeutig in den Stil eines der genannten Komponisten einordnen. Mehr noch, in seiner künstlerischen Haltung ist eine bewusste Auseinandersetzung mit nahezu allen ihm bekannten musikalischen Strömungen zu erkennen – jedoch ohne sich in extreme Modernismen oder konstruktivistische Tendenzen zu verlieren.
Dennoch lässt sich auch hier eine gewisse Selektivität erkennen – eine bewusste Filterung dessen, was dem Komponisten nicht nahestand. So ist es beispielsweise schwierig, klare Parallelen zu bedeutenden Persönlichkeiten der russischen Musik wie Skrjabin und Schostakowitsch zu ziehen. Zwar lässt sich eine gewisse symbolistische oder impressionistische Färbung in Werken wie «Beunruhigende Schatten» erahnen, und die jüdischen Intonationen im Streichquartett könnten auf eine mögliche Aufnahme der ästhetischen Prinzipien Schostakowitschs hindeuten. Andererseits sind Parallelen zu symbolistischen und impressionistischen Elementen in den Kompositionen Khaèts deutlich erkennbar – ein Bezug, der sich wiederum auch in den märchenhaften Bildern Prokofjews finden lässt. Ebenso kommt man nicht umhin, an dessen «Quartett» und an dessen Ouvertüre über jüdische Themen zu denken.
So oder so zeigt bereits ein oberflächlicher Vergleich der stilistischen Orientierungspunkte, dass Beniamin Arnòldowitsch Khaèt nicht nach einem in sich geschlossenen Stilraum strebte. Vielmehr versuchte er, in seinem Schaffen all das zu assimilieren, was er in der zeitgenössischen Musik als wahrhaft wertvoll und bedeutsam erachtete. Gleichzeitig zeugt eine gewisse Selektivität von einem zentralen stilistischen Kriterium – einer individuellen stilistischen Haltung, einer kreativen Position des Musikers. Offenbar galt seine Vorliebe allem, was emotional und lebendig war; eine kraftvolle, vorantreibende Energie im Stil einer Toccata und eine klare, transparente Lyrik mit einer leicht kühlen Note, die trotz ihrer impressionistischen Anklänge eine feine, nach innen gerichtete Tiefe entfaltet. Alles Ekstatisch-Symbolistische und Brutal-Urbanistische erscheint ihm als nicht belangreich und taucht höchstens gelegentlich als kontrastierende Schattenfigur auf.
Die Stilistik der akademischen Werke von Beniamin (Weniamin) Khaèt zeigt insgesamt, dass der Komponist, trotz seiner geografischen Entfernung von den Zentren des aktiven Musiklebens, ein leidenschaftliches Interesse an allen musikalischen Entwicklungen hegte. Er war mit den bedeutendsten Strömungen der zeitgenössischen Musik im Allgemeinen sowie mit dem Schaffen herausragender Zeitgenossen im Besonderen vertraut. Zweifellos trug gerade diese Kombination aus physischer Distanz und geistiger Neugier zur Ausprägung seines einzigartigen künstlerischen Profils bei – eines «synthetischen Polystilismus», der auf seine Weise die kreativen Prinzipien der russischen Komponistenschule weiterentwickelt, wie sie durch zwei große Zeitgenossen – Strawinsky und Prokofjew – verkörpert wurden.
Das umfangreiche künstlerische Erbe des Komponisten lässt sich, wie bereits erwähnt, in drei große Bereiche unterteilen: 1) nicht-akademische Werke in leichteren Genres, 2) angewandte Musik (Theatermusik) und 3) akademische Instrumentalkompositionen. Diese Einteilung ist jedoch recht willkürlich, ebenso wie die Definition dieser kreativen Kategorien. In dieser Abhandlung konzentrieren wir uns auf einige Werke akademischer und angewandter Art, insbesondere auf jene, die auf der Website zugänglich sind.
Leider sind viele Kompositionen des Komponisten vollständig verloren gegangen oder ihr Verbleib ist unbekannt. Einige sind in Klavierauszügen erhalten, doch nicht nur einzelne Seiten von Partituren sind verschollen, sondern auch ganze Teile zyklischer Werke. Soweit bekannt, konnte lediglich die «Sinfonietta» für Streichorchester mithilfe eines Amateur-Tonbandgeräts aus einer Rundfunkübertragung aufgenommen werden.
Es bleibt bedauerlich, dass ein vollständiges Bild des Schaffens von Benjamin (Weniamin) Arnòldowitsch Khaèt aus diesem Grund nicht möglich ist. Dennoch zeugen die erhaltenen Partituren eindrucksvoll von der Größe seines kompositorischen Talents.